Gastbeitrag
Während ich heute in den Zürisee steige, achte ich auf die Steine, die am Boden liegen. Ich kann sie ganz deutlich sehen, weil das Wasser so klar ist. Das berührt mich und lässt mich vertrauen. Ich sehe, was um mich herum ist und gehe meinen Weg zwischen den Steinen, im Sand. Mal steige ich auch auf einen Stein und bin experimentierfreudig; wie fühlt er sich unter meinen Füssen an? Wo mag ich meine Schritte setzen, um in den See zu kommen??
Vertrauen entsteht währenddessen und lässt mein Herz leicht sein. Ich gewinne Selbstsicherheit indem ich mich traue.
Irgendwann habe ich dann genug davon, meine Hand durch die Oberfläche des Wassers zu bewegen und über dessen Klarheit und Sanftheit zu staunen. Ich lege mich hinein. Und lasse mich tragen. Ganz. Und ich beobachte mich dabei. Spüre ein wenig Aufregung. Dass es hier so einfach ist. Ich dachte ja lange und sehr häufig, dass ich zu schwer und zu viel sei. Für jedeN und alles.
Jetzt glaube ich das nicht. Ich denke nicht nach, sondern lasse das Denken sein und mein Halten los. Ich übergebe mich an das Wasser mit seiner Klarheit und Tiefe und Kraft. Und stelle fest, wie sehr ich in meinem Element bin. Ich denke die Worte: „Ich bin in meinem Element.“ Und ich nehme wahr, wie glücklich mich das Wasser macht. Immer schon. Ich erinnere in diesem Moment, dass ich von meiner Mutter „Wasserratte“ genannt wurde. Es war wohl schwer, mich aus dem Wasser heraus zu bekommen. 😉
Und ich erlaube mir, so lange im Wasser zu bleiben, wie ich es mag. Wie es mir gefällt. Was hält mich eigentlich ab, im Wasser zu bleiben? Dieser Zustand ist friedlich und kommt mir vor wie eine Ewigkeit. Eine selbstgewählte, freie Zeitlosigkeit. Einfach so.
Etwas bewegt sich im Wasser und mein Atem verändert sich. Die meditative Stimmung von eben ist der Aufregung und Gedanken gewichen: was war das wohl? Passiert mir etwas? Und ich bemerke, wie ich den Atem anhalte bei diesen Fragen. Wie ich ES wissen will …“und sonst mache ich gar nichts mehr.“ Die Kleine wird ängstlich.
Es wird enger im Herz, unfrei fühle ich mich, ein bisschen gefangen. Und warum? Was ist denn eigentlich geschehen? Ich habe keine Ahnung … und atme wieder ruhiger. Habe ein Lächeln für meine Ängstlichkeit über und schenke es mir. Das tut gut…wieder wird das Herz leichter, der Atem ent-spannter. Ich nehme jetzt wieder das Wasser um mich herum wahr.
Es ist die ganze Zeit da, trägt mich. Ich bin Teil des Sees – immer noch. Es war nie anders – ich konnte es nur zwischendrin nicht erfahren. War in Gedanken und die waren woanders. …ach so ist das!?
Ich spüre in meinen Körper hinein und frage, was ich jetzt tun möchte. Weiterschwimmen oder umdrehen, raus aus dem Wasser oder einfach noch ein wenig plätschern? Plätschern, im Wasser baden anstatt wirklich zu schwimmen. Hier nehme ich deutliche Bewertung wahr: schwimmen ist ok – baden ist nicht ok. Aha?!
Doch. Heute darf auch das sein: einfach so im Wasser sein – mal ein wenig über und mal ein wenig unter dem Wasser. Einfach so – weil ich es gerade mag. Weil ich gehalten und getragen bin und ich das geniesse, weil ich es gerade wahrnehmen und glauben kann. JA.
Dankbarkeit entsteht und macht sich wohlig in mir breit. Sie ist wie ein Kokon, wie eine zweite, schützende Haut um mich. Die Geräusche und Gespräche der anderen Menschen, die zum See kommen, berühren mich jetzt anders. Ich höre den Klang ihrer Stimmen und weniger die konkreten Worte, erlebe das Wohlwollen darin und merke, wie das mit meiner Dankbarkeit in Resonanz geht. Ich fühle mich wenig gestört, sondern eher verbunden. Noch immer getragen.
Fotografie: Bildreich Martina Issler, Zürich www.bildreich.ch