Hass erzeugt ein intensives Gefühl von Abneigung in uns: Feindseligkeit, Widerwillen, Kummer und Kränkung. Hass kann Menschen blind werden lassen gegenüber der Realität. Blinder Hass kann zu Gewalt führen, Menschen verletzen und sogar töten. Hass ist eine von vielen Antworten auf Angst, sagt Gerald Hüther, der deutsche Neurobiologe.
Der Hass hat eine zerstörerische Kraft. Er zeigt sich als leidenschaftliche Abneigung gegen etwas, das Unlust macht. Hass fordert den Menschen zum Handeln auf, in Aktion zu kommen und etwas zu zerstören. Hassen bedeutet die Ablehnung von anderen Menschen oder Gruppen: Fremdenfeindlichkeit, Homophobie, Frauen-/Männerfeindlichkeit, Rassismus. Hass erzeugt ein extrem schlechtes Gefühl in uns. Wenn in unserem Kopf nur noch Hassgedanken herumkreisen und wir uns auf das Schlechte konzentrieren, vergrössert diese Negativitätsspirale unseren Frust, unseren Ärger und die Wut.
Hass ist der Gegenpol zur Liebe
Aus der Hirnforschung ist bekannt, dass Hassgefühle die Hirnzonen mit der Liebe teilen (Putamen und Inselrinde). Unser Gehirn kann folglich – aus neurologischer Sicht – nicht zwischen einem Hass- und einem Liebesreiz unterscheiden. Die gute Nachricht: Wer hassen kann, kann auch lieben.
Hass kann aus einem Ohnmachtsgefühl heraus entstehen, aus einem hilflosen Ausgeliefertsein. Hassgefühle können als Reaktion auf empfundenes Unrecht oder Zurückweisung auftreten, wenn wir einen Zustand als unerträglich empfinden. Oftmals entstehen traumatische Situationen im Kleinkindalter, wenn wir angewiesen sind auf die Fürsorge von Bezugspersonen. Ein bekannter Auslöser ist beispielsweise die Geburt eines jüngeren Geschwisters. Von einem Tag auf den anderen steht das Erstgeborene nicht mehr im Mittelpunkt. Bis dahin hatte das Kind die volle Aufmerksamkeit der Eltern. Nun wird es mit einer Konkurrenzsituation konfrontiert und fühlt sich übergangen.
Die Eltern werden möglicherweise versuchen, ihrem Ältesten die Situation zu erklären. Aufgrund der kindlichen Hirnentwicklung kann das Kleinkind die Bedeutung dieser logischen Erklärung jedoch nicht deuten. Das Kind spürt lediglich, dass es nicht mehr die gesamte bisherige Zuneigung von seinen Eltern erhält. Dies kann zu Hassgefühlen gegenüber dem jüngeren Geschwister führen.
Erlebt das Kind verbale Abwertungen wie „Du taugst nichts“, „Du bist von Grund auf schlecht“, „Du bist blöd“ usw., kann eine Form von Selbsthass entstehen. Denn Entwertung beschämt uns und kann zur zwanghaften Selbstoptimierung führen. Der sich abgewertet fühlende Mensch kann eine Zwangsstörung oder ein Kontrollzwang entwickeln: Indem er bestimmte Dinge immer wieder kontrolliert, erzeugt er in sich das gute Gefühl, alles im Griff zu haben. Mit diesen Zwangshandlungen versucht er, das ungewollte Ohnmachtsgefühl zu verdrängen, was jedoch so nicht gelingt. Der Stress und der Druck werden immer grösser.
Hass kann bewusst gesät werden
Hass ist eine emotionale Antwort, die sich gegen jemanden oder etwas richtet, wenn wir uns bedroht oder machtlos fühlen. Dies kann eine Bedrohung gegenüber uns selbst sein oder ein Angriff auf unsere Werte. Als soziale Wesen definieren wir unsere Identität zugehörig auf verschiedenen Ebenen, beispielsweise einer Nation, Kultur, Religion, Ethnizität, Geschlecht, sexuellen Orientierung, Beruf oder Organisation. Mit Hassreden gegenüber diesen Personengruppen, kann Hass provoziert werden. Hassverhalten kann als Belästigung oder Einschüchterung genutzt werden – und zu Gewalt führen.
Wie einfach man Menschen dazu bringt, eine bestimmte Menschengruppe zu diskriminieren und sie rassistisch zu beleidigen, wurde 2020 in einem Antidiskriminierungs-Experiment ausgeführt. Das Video dieses eindrücklichen Experiments «Sind wir Rassisten?» kannst du hier auf YouTube anschauen.
Ich hasse dieses Wetter
Das Verb „hassen“ wird heutzutage inflationär eingesetzt. „Ich hasse Gemüse.“ „Ich hasse Weihnachten“. Im hier erklärten Kontext stimmt die Bedeutung des Wortes nicht. Denn Hass geht oftmals auf eine frühe emotionale Störung zurück. Ursache kann die fehlende Bestätigung oder Anwesenheit sein, Vernachlässigung, Liebensentzug oder mangelnde positive Resonanz der primären Bezugspersonen.
Mit meinen Klienten mache ich mich auf die Suche nach der Entstehung des Hasses. Meistens sind die Gefühle bereits im frühen Leben entstanden. Wir suchen und finden die Ablehnung, die in der emotionalen Ebene ihre Spuren im Zellgedächtnis hinterlassen hat. Mit der Auflösung bringen wir die Gefühlswelt des Klienten ins Gleichgewicht, so dass er seine Emotionen wieder regulieren kann.
So arbeite ich mit dem Hass
Wenn ich dem Hass ein Gesicht gebe und ihn benenne, beobachte ich meistens eine spürbare Entlastung beim Klienten. Denn sobald die emotionale Belastung abgebaut wird, bringt die Regulation des Nervensystems Entspannung und Ruhe in den Körper.
In der Aufarbeitung des Traumas geht es immer wieder um die Differenzierung, die wegen des Abhängigkeitsverhältnisses beim ursprünglichen Ereignis in der Kindheit nicht möglich war. Die Liebe nachzuentwickeln, die damals nicht in der gewünschten Qualität zu uns gekommen ist. Wenn dieser Schritt gelungen ist, überwindet die Klientin ihre Gefühle der Ohnmacht, der Abhängigkeit und des Ausgeliefertseins.
Um seine Hassgefühle zu neutralisieren, reicht in einigen Fälle auch ein Gespräch mit dem Menschen oder den Menschen, die diese Feindseligkeit bei uns auslösen. Ein beherzter Schritt, der sich lohnen kann.
Wirst du von Hassgefühlen geplagt? Sprich darüber! Als neutrale Kontaktperson und nicht wertende Therapeutin habe ich ein offenes Ohr für dich. https://www.katharina-wissmann.ch/erstgespraech-vereinbaren/